02. März 2023 – 18 Uhr – Alter Leipziger Bahnhof

80. Jahrestag der Räumung des „Judenlagers Hellerberg”

Was Dresden interessiert und was nicht

 

Am 02. März 2023 war es genau 80 Jahre her, dass das sogenannte „Judenlager Hellerberg“ geräumt wurde. Die Menschen wurden zum Alten Leipziger Bahnhof verbracht und mussten sich dort einem Transport von über 1000 Menschen anschließen. Er führte nach Auschwitz, in den Tod. Es ist eins der dunkelsten Kapitel unsere Stadtgeschichte. Über diesem und vielen anderen aus dieser Zeit liegt ebenso wie über dem Alten Leipziger Bahnhof als Ort zahlloser Deportationen jüdischer Menschen der Mantel der Verschwiegenheit. Eine kleine Tafel am Bahnhof Neustadt, eine kleine Tafel entlang des Arbeitsweges der Zwangsarbeiter*innen aus besagtem Lager – mehr gibt es dazu nicht. Der Alte Leipziger Bahnhof ist eine Ruine, die Gleisanlagen holt sich die Natur zurück.

Menschen stehen am Alten Leipziger Bahnhof vor einer Bühne und hören Redebeiträge. Foto: Lutz ThiesDas zu ändern und hier einen Ort des Gedenkens, des Begegnens und des Lernens entstehen zu lassen, haben wir uns vor einem reichlichen Jahr auf die Fahnen geschrieben. Der kalte Winterabend am 02.03.23 war keine einfache Kundgebung. Es war ein Abend voller Emotionen. Renate Aris, die als Dresdner Holocaust-Überlebende bei uns war, Dr. Nora Goldenbogen und unser André Lang sprachen über das, was gewesen ist und über das, was so still und leise auf dem Nährboden von Pegida und Co ganz selbstverständlich wieder bei uns wieder Platz finden will: den Faschismus und die Menschenverachtung.

Leider waren nur 100 Menschen der Einladung gefolgt. Die wenigen, die kamen waren zutiefst ergriffen von den im Dresdener Alltag so wenig präsenten Fakten der Zeitzeugen und der 2. Generation von Holocaustüberlebenden. Sie waren dankbar dafür, sich an diesem historischen Ort des Schicksals der vielen jüdischen Opfer gemeinsam erinnern zu können. Es ist bitter, in einer Stadt mit über einer halben Million Einwohner*innen, zu diesem Thema an eine Mauer der Gleichgültigkeit zu stoßen.  Es ist dieselbe Mauer, die in dieser Stadt steht, wenn alte und neue Nazis Hass und Hetze auf die Straße tragen. Man lässt sie machen. Einmal im Jahr 15 Minuten Wohlfühlevent einer Menschenkette genügen für das Gefühl, Gesicht gezeigt zu haben.

Aber wir werden keine Ruhe geben. Es gibt inzwischen den Förderkreis Gedenk-,Begegnungs- und Lernort Alter Leipziger Bahnhof. Es gibt Unterstützung des Oberbürgermeisters zu diesem Projekt, es gibt Mittel im Haushalt der Stadt. Von politischer Seite fehlt der Stadtratsbeschluss dazu, der am 23.03.23 gefasst werden soll. Den Druck aufzubauen, dass das Projekt auch zeitnah umgesetzt wird, bleibt Aufgabe der Zivilgesellschaft, also unsere gemeinsame Aufgabe. Wir wollen, dass spätestens zum 08. Mai 2025, dem 80. Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus der Alte Leipziger Bahnhof als Ort des Gedenkens, des Begegnens und des  Lernens in großen Teilen fertig ist. Das ist unser Ziel. Renate Aris, jetzt 86 Jahre alt, machte klar, dass sie die Eröffnung des Gebäudes noch erleben möchte. Das sind wir ihr und den wenigen Überlebenden des Holocaust und ihren Angehörigen und Freunden schuldig.

Ursprünglicher Aufruf zum Gedenken an die Deportation von Jüdinnen*Juden aus Dresden nach Auschwitz

Wir rufen die Dresdner*innen auf, mit ihrer Teilnahme an der Gedenkveranstaltung am März 2023, 18:00 Uhr am Alten Leipziger Bahnhof (Eisenbahnstraße) der Opfer der Shoa zu gedenken und ein sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen.

Foto vom Alten Leipziger Bahnhof mit der Installation „Wann Wieviele Wohin”In der Nacht vom 2. auf den 3. März 1943 wurde das „Judenlager Hellerberg“ im Norden Dresdens, nachdem es erst im November 1942 zur Konzentration jüdischer Zwangsarbeiter*innen für die Rüstungsindustrie entstanden war, geräumt . Die mehr als 350 Insass*innen des Lagers, darunter 293 Jüdinnen*Juden aus Dresden, wurden zunächst in LKWs eng zusammengedrängt zum Alten Leipziger Bahnhof, dem damaligen Güterbahnhof Dresden Neustadt, verbracht. Dort wartete bereits ein Transport mit mehr als 1.000 Jüdinnen*Juden aus dem Süden und Westen des Reichsgebiets in verdeckten Güterwagen auf sie. Der Zielort des Transports: das Vernichtungslager Auschwitz- Birkenau.

Noch am Abend des 3. März traf der Deportationszug im Vernichtungslager Auschwitz ein. Nach der gewaltvollen Selektion durch die SS-Wachmannschaft erhielten ca. 50 Jüdinnen*Juden aus dem Lager Hellerberg eine Häftlingsnummer in Auschwitz. Nur 10 von ihnen überlebten das Ende des Nationalsozialismus.

Wie viele andere Geschichten, die Zeugnis über die Verfolgung und Vernichtung der Jüdinnen*Juden in Dresden ablegen, ist auch die Geschichte der Deportation vom 3. März 1943 weitestgehend aus dem Stadtgedächtnis gestrichen. Sinnbildlich hierfür steht der marode Zustand des Alten Leipziger Bahnhof in Dresden, dessen zentrale Rolle bei der Vernichtung von Jüdinnen*Juden nur den wenigsten bekannt ist.

Mit unserer Gedenkveranstaltung am 2. März 2023, dem 80. Jahrestag der Räumung des „Judenlagers Hellerberg“, wollen wir daran etwas ändern. Wir wollen der Schicksale der Deportierten und aller weiteren Opfern des nationalsozialistischen Vernichtungswahns gedenken und unserer Forderung nach einem angemessenen Gedenk-,Begegnungs- und Lernort am Alten Leipziger Bahnhof Ausdruck verleihen. Dieser sollte ebenfalls ein Dokumentationszentrum beinhalten, denn noch immer mangelt es in Dresden an einer adäquaten und nachhaltigen Aufarbeitung der NS-Geschichte der Stadt.

Erstunterzeichner*innen

  • Initiative HERZ STATT HETZE
  • Bündnis gegen Antisemitismus Dresden und Ostsachsen bei der RAA Sachsen e.V.
  • Förderkreis Gedenk- , Begegnungs- und Lernort Alter Leipziger Bahnhof
  • Bürgermeisterin für Kultur, Wissenschaft und Tourismus, Annekatrin Klepsch
  • HATiKVA e.V.
  • Hanse 3 e.V. , David Adam
  • Christian C.D.Ludwig-Foundation
  • Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen e.V., Prof.Dr.Uwe Hirschfeld Mitglied im LV
  • Banda Comunale, Michal Tomaszewski
  • Stolperstein e.V., Claus Detleff (Vorsitzender)

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